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Rund 40 Teilnehmer informierten sich auf Einladung der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich zum Thema „Ärztegenossenschaft und Kooperationen“. Unter den Teilnehmern fanden sich neben zahlreichen Ärzten aus dem Landkreis auch viele Vertreter aus der kommunalen Familie, darunter Bürgermeister und Kreistagsmitglieder.

Landrat Gregor Eibes machte in seiner Begrüßung deutlich, dass das Thema „Sicherung der Ärztlichen Versorgung“ für einen Landkreis oder für Kommunen generell ein schwieriges Thema sei, bei dem er, obwohl der Landkreis sich des Themas seit etwa drei Jahren angenommen hat, immer noch nicht wisse, ob man hier überhaupt etwas ausrichten könne. Man wolle aber nicht zusehen, wie die Bevölkerung auf dem Land immer weitere Wege zu den Arztpraxen zurücklegen muss oder die Versorgung in der Fläche generell in Schieflage gerät, deshalb engagiere sich der Landkreis hier im Rahmen seiner Möglichkeiten und versuche die Akteure im Kreis zu vernetzen oder wie in aktuell in Morbach eine kooperative Versorgungsform zu initiieren und zu moderieren.

Stephan von St. Vith, Mitarbeiter im Fachbereich Kreisentwicklung, stellte die aktuelle Situation der ärztlichen Versorgung im Landkreis Bernkastel-Wittlich vor. Sieht die Versorgungslage auf dem Papier aktuell noch gut aus, so stellt sich die Situation bei einem Blick auf die aktuelle Altersstruktur der Haus- und Fachärzte schon eher dramatisch dar. Etwa die Hälfte der aktuell praktizierenden Hausärzte ist älter als 60 Jahre, bei den Fachärzten sind es nahezu 40 %. Dies führt laut kassenärztlicher Vereinigung Rheinland-Pfalz bis zum Jahr 2024 zu einem altersbedingten Nachbesetzungsbedarf von 67 % bei den Hausärzten und 65 % bei den Fachärzten. Es handelt sich hierbei um ein „Worst-Case-Szenario“, das von einem mittleren Abgangsalter der Hausärzte mit 61 Jahren und bei Fachärzten mit 59 Jahren ausgeht und nur die Tatsache, dass viele Ärzte auch über das 65. Lebensjahr hinaus noch praktizieren, hält die ärztliche Versorgung noch auf diesem Niveau. Da der ärztliche Nachwuchs aber zunehmend weiblicher wird und es einen gesteigerten Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeitmodellen gibt, muss für jeden wegfallenden Arztsitz nicht nur ein Arzt nachrücken, sondern eher zwei. Neben diesen besorgniserregenden Zahlen zeigte von St. Vith noch Fördermöglichkeiten für niederlassungswillige Ärzte auf, stellte den neu gegründeten Weiterbildungsverbund Allgemeinmedizin Bernkastel-Wittlich vor und erläuterte das aktuelle Projekt in der Gemeinde Morbach, wo man mit Ärzten im Gespräch ist die Möglichkeit der Einrichtung eines kooperativen Versorgungsmodells (z.B. Gemeinschaftspraxis, Medizinisches Versorgungszentrum MVZ) auszuloten.

Nach dieser Einführung in den Status Quo referierte Marcus Bemsch von der Landeszentrale für Gesundheitsförderung Rheinland-Pfalz e.V. zum Thema „Ärztegenossenschaft“. Auch er machte deutlich, dass es angesichts der aktuellen Trends zur „Feminisierung“ des Arztberufs, dem steigenden Wunsch nach flexiblen Arbeitszeitmodellen, Teilzeitanstellung oder Anstellungsverhältnis eine kooperative Berufsausübung immer stärker an Bedeutung gewinnt. Hierbei stellt sich vor allem die Frage nach der Wahl der Rechtsform. Während bei MVZ zu 72 % die GmbH als Rechtsform gewählt wird, machen hier Genossenschaften bisher nur 0,05 % aus. Dabei biete die Genossenschaft einige Vorteile, wie z.B. das ausgewogene Verhältnis zwischen Anstellung und Mitbestimmung, den Schutz vor Übernahme durch Kapitalinvestoren oder eine hohe Resistenz gegen Insolvenzen. Zudem bietet die Genossenschaft den älteren Ärzten die Möglichkeit eines schrittweisen Übergangs in den Ruhestand, indem sie vor dem Ruhestand ihren Arztsitz in die Genossenschaft einbringen, sich anstellen lassen und sukzessive ihre Arbeitszeit verringern. Junge Ärzte hingegen können die Anstellung bei der Genossenschaft als Einstieg in eine Niederlassung nutzen, indem sie sich zunächst mit der Arbeit als Allgemeinmediziner vertraut machen, den kollegialen Austausch nutzen und später ggf. den Schritt in eine Niederlassung wagen.

Die Ärztegenossenschaft medicus Eifler Ärzte eG des Bitburger Arztes Dr. Michael Jager war 2018 die zweite Ärztegenossenschaft, die in Deutschland gegründet wurde. Dr. Jager berichtete bei der Veranstaltung von den Schwierigkeiten bei der Gründung, die aber nur dadurch begründet waren, dass die Frage der Regressabsicherung bei einer genossenschaftlichen Lösung bislang noch nicht praktiziert worden war und die Genossenschaft deshalb zunächst die Zulassung verweigert wurde. Letztlich hat ein Schreiben von Gesundheitsminister Spahn diese Bedenken aufgelöst und die Genossenschaft konnte an den Start gehen. Dr. Jager hat seine Praxis an die Genossenschaft veräußert und arbeitet nun zusammen mit einer Kollegin als angestellter Arzt bei der Genossenschaft. Weitere Ärzte, die noch eigenständig praktizieren, sind bereits Mitglied der Genossenschaft, um dieses Modell vor Eintritt in den Ruhestand auch nutzen zu können. Auch eine Integration von Zweigpraxen ist bei diesem Modell vorgesehen und wurde an den Standorten Dudeldorf und Binsfeld bereits praktiziert. Allerdings fehlen Dr. Jager die Nachwuchsärzte, die sich bei der Genossenschaft anstellen lassen und so den Fortbestand der Arztpraxen sichern.

Ein kooperatives Modell betreibt auch Dr. Carsten Schnieder mit seinem hausärztlichen Versorgungszentrum in Daun. Aus dem Zusammenschluss mehrerer Ärzte ist mittlerweile eine große Praxis mit einem Team aus 7 hausärztlich tätigen Internisten und Allgemeinmedizinern sowie 16 vielfältig weitergebildeten medizinischen Fachangestellten entstanden. Alleine im letzten Quartal betreute die Praxis etwa 6.000 Patienten und ist somit eine wichtige Säule in der medizinischen Versorgung der Region um Daun. Die Praxis hat umfangreiche Öffnungszeiten von morgens 7.30 Uhr bis abends 20.00 Uhr und den angestellten Arztkollegen bietet Dr. Schnieder individuelle Arbeitszeiten, eine faire Bezahlung und teilweise auch Wohnraum in Praxisnähe an. Auch delegiert er bereits viele Tätigkeiten an sein gut ausgebildetes Team, so dass die Zahl der ärztlichen Hausbesuche damit verringert werden kann. Aber auch trotz dieser guten Rahmenbedingungen ist es schwierig, ärztlichen Nachwuchs aufs Land zu locken, da dieser oftmals die vermeintlich besseren Bedingungen in größeren Städten vorziehe. Weitere Hemmnisse sind aus seiner Sicht zu wenige Medizinstudenten und die teils überbordende Bürokratie.

In die gleiche Kerbe schlägt Dr. Matthias Schilling, der seit 2017 im Rathaus der ehemaligen Verbandsgemeinde Manderscheid seine Rathaus-praxis eröffnet hat. Auch er arbeitet im Team mit aktuell vier angestellten Kolleginnen und Kollegen und geht auf die individuellen Arbeitszeitwünsche seiner Arztkollegen ein. Neben der hausärztlichen Versorgung bietet die Rathauspraxis vielfältige diabetologische Leistungen an. Dr. Schilling beklagt auch die zu geringe Zahl der Studienplätze und verlangt eine Abschaffung des Numerus Clausus, der Bedarfsplanung und der Budgetierung.

Es entstanden vielfältige Diskussionen, die sich z.B. auch um einen notwendigen, verantwortungsvollen Umgang der Patienten mit der Ressource Arzt drehte. Alle drei vortragenden Mediziner machten klar, dass es zu wenige Nachwuchsmediziner gibt, die Facharzt für Allgemeinmedizin werden möchten und alle Maßnahmen dies zu ändern wie z.B. die jetzt gestartete Landarztquote zu spät kämen und zu lange brauchen, bis sie ihre Wirkung entfalten. Auch Landrat Eibes musste zum Schluss der angeregten Diskussion feststellen, dass er nun immer noch nicht wüsste, ob die Anstrengungen von Landkreis oder Kommunen überhaupt erfolgreich sein können, letztlich aber alle gemeinsam an Lösungen arbeiten müssen. Das Kommunen sich mittlerweile bei der Anwerbung von Ärzten sogar mit Geldprämien überbieten und im Wettbewerb untereinander stehen wurde zum einen kritisch gesehen und sei zum anderen auch nicht das Allheilmittel. Solange nicht politische Rahmenbedingungen geändert würden, die z.B. eine deutliche Erhöhung der Studierendenzahlen in der Medizin vorsehen und zur Aufwertung des Hausarztberufes führen, wird sich die Situation kurz und mittelfristig nicht verbessern und es droht ein Kollaps in der ärztlichen Versorgung, so das ernüchternde Fazit der Veranstaltung. Letztlich können kooperative Versorgungsmodelle wie z.B. eine Ärztegenossenschaft nur funktionieren, wenn es ärztlichen Nachwuchs gibt, der dieses Modell annimmt und mit Leben füllt.