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Deutliche Worte fand Landrätin Beate Läsch-Weber bei der Vorstellung ihres 18. und letzten Haushaltsplanentwurfs in der Sitzung des Kreistages des Landkreises Bernkastel-Wittlich. Sei es von 1993 bis 2002 noch gelungen, den Kreishaushalt auszugleichen, sei dies seit 2003 aufgrund der strukturellen Unterfinanzierung des Landkreises und der nicht aufgabenangemessenen Finanzausstattung nicht mehr möglich.

Sie zitierte den Rechnungshof Rheinland-Pfalz, der in seinem Kommunalbericht 2010 auf die desolate finanzielle Lage der rheinland-pfälzischen Gemeinden und Gemeindeverbände hingewiesen habe. Demnach habe in keinem westlichen Flächenland die Verschuldung der kommunalen Haushalte 2009 gegenüber dem Vorjahr stärker zugenommen als in Rheinland-Pfalz. Weiter habe der Rechnungshof in seinem Bericht ausgeführt, dass die Haushalte der rheinland-pfälzischen Kommunen von der gebotenen Haushaltskonsolidierung weiter denn je entfernt und die erheblichen strukturellen Probleme von den Kommunen aus eigener Kraft kaum mehr zu bewältigen seien.

Ein „Weiter so“ könne es nicht geben, betonte Läsch-Weber und forderte Bund und Land auf, die aufgabenangemessene Finanzausstattung in ihrer Agenda ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen. Sie wies darauf hin, dass es nicht ausreiche, eine Schuldenbremse im Grundgesetz zu verankern, auf der Einnahmeseite jedoch über Steuersenkungen nachzudenken und auf der Ausgabenseite keine Diskussion über gesetzlich verbriefte Standards zu führen, die man sich nicht mehr leisten könne. Hinzu komme, dass die Kommunen auf Bundesebene nicht in die Schuldenbegrenzung aufgenommen worden seien, was zur Vermeidung eines Verschiebebahnhofs erforderlich gewesen wäre. Ebenfalls reiche es nicht aus, das Konnexitätsprinzip in die Landesverfassung aufzunehmen, dessen Anwendungsbereich aber nur auf originäre Landesgesetze zu beziehen.

Der kommunale Entschuldungsfonds des Landes für Liquiditätskredite sei ein Schritt in die richtige Richtung, entspreche jedoch nicht den Erwartungen des Landkreistages Rheinland-Pfalz an ein tragfähiges, nachhaltiges und zukunftgerichtetes Konzept. Die strukturelle Unterfinanzierung, insbesondere der Landkreise mit ihren umfangreichen und zunehmenden Aufgaben in Erziehung und Bildung, in sozialen Hilfen einschließlich der Eingliederungshilfe, in Arbeit und wirtschaftsnaher Infrastruktur, in Natur und Umwelt, könne nach den ökonomischen Grundregeln nur behoben werden durch Steigerung der Einnahmen und/oder Senkung der Ausgaben. Haushaltsausgleich und Schuldenabbau seien zwei Seiten einer Medaille. So notwendig der vereinbarte Entschuldungsfonds sei, so unstreitig sei auch die Tatsache, dass ein nachhaltiges und tragfähiges Zukunftskonzept zur Sanierung der Kommunalfinanzen und damit zur mittelfristigen Erzielung ausgeglichener Haushalte auch einen aufgabenangemessenen dotierten kommunalen Finanzausgleich durch das Land voraussetze. „Wir brauchen dringend eine ehrliche Diskussion über diese ökonomische Grundregel. Denn so geht es nicht weiter“, so die Landrätin in ihrer Rede.

Der Haushaltsplanentwurf 2011 sei geprägt von der fortbestehenden katastrophalen Haushaltssituation des Landkreises Bernkastel-Wittlich. Er sei geprägt von dem Spagat, im Bereich der Fachbereichsbudgets sparsam zu wirtschaften, den Stellenplan verantwortlich zu gestalten und gleichwohl die in Erziehung und Bildung und in der wirtschaftsnahen Infrastruktur erforderlichen Investitionen zu tätigen. Dass der Planentwurf letztlich so sei wie er sei, bedauere sie.

Die Zahlen des Werks machen dies verständlich. Demnach weist der Kreishaushalt für das Jahr 2011 einen Fehlbetrag im Ergebnishaushalt von 8,67 Mio. Euro, einen Höchstbetrag der Kredite zur Liquiditätssicherung von 46 Mio. Euro und eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 9,28 Mio. Euro auf. Der Schuldenstand des Landkreises wird sich Ende 2011 auf 70,39 Mio. Euro belaufen.

Mit 28 Ja-Stimmen und 12 Nein-Stimmen fand er die Zustimmung der Mehrheit des Kreistages.

Stellungnahmen der Fraktionen des Kreistags zum Haushalt

CDU

Unser Problem ist, dass wir deutlich zu hohe Ausgaben haben und die Einnahmen diese bei weitem nicht decken. So kann es nicht weitergehen. Wir können uns die gesetzlichen Standards aus Berlin und Mainz nicht mehr leisten. Die Schraube der Umlagen, die wir von den kreisangehörenden Kommunen einfordern können ist am Ende. Gleichzeitig liegen die Schlüsselzuweisungen B2 bei dem Stand des Jahres 1993. Der Anteil an der Grunderwerbsteuer für die Landkreise wurde von unserer Landesregierung 2001 ersatzlos abgeschafft. Das waren im Jahr rund 2 Millionen Euro. Über die 10 Jahre hinweg sind das 20 Millionen Euro, die uns das Land vorenthalten hat. Wir werden Ende 2011 einen Schuldenstand im Investivbereich von rund 70 Millionen Euro haben und das Kassenkreditvolumen wird bei rund 38 Millionen Euro liegen. Das alles liegt nicht daran, dass die Landrätin und die Verwaltung im Überfluss gelebt hätten, sondern daran dass die Gesetzgeber in Berlin und Mainz permanent neue Wohltaten den Menschen versprechen ohne die entsprechende Gegenfinanzierung mitzuliefern. Das Land hat  sich immer mehr aus der Verantwortung gezogen, Wohltaten verkündet und die Zeche an die kommunale Ebene weitergegeben. Da nützt es auch nichts, einen kommunalen Entschuldungsfonds großzügigerweise von der Landesregierung anzubieten. Die Wahrheit hinter dieser PR-Hülse ist, dass die kommunale Seite 2/3 der Kosten selbst zu tragen hat. Das fehlende Drittel will das Land beisteuern.

SPD

Seit Jahren beklagen wir die unbefriedigende Finanzsituation der Kommunen. Wesentliche Ursache hierfür ist die mangelnde Bereitschaft des Bundes, die Kommunen mit den notwendigen Finanzen auszustatten. So belastet der Bund die Kreise mit immer mehr Sozial-Gesetzen, ohne dafür das notwendige Geld zur Verfügung zu stellen. Auch die Auswirkungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes von CDU/FDP treffen die Kommunen negativ. Zudem sind die geplanten Steuersenkungen ebenfalls Gift für die Kommunen. Das Land dagegen hat seine Mittel im kommunalen Finanzausgleich nicht gekürzt und auch die Einnahmen der Kommunen durch den Beistandspakt und den Stabilisierungsfonds verstetigt. Im übrigen gilt im Land die Konnexität: Wer bestellt, der bezahlt. Unser Kreis läuft inzwischen Gefahr, gegen das in der Gemeindeordnung festgeschriebene Überschuldungsverbot zu verstoßen. Zudem ist unser Kreis, was die Schulden betrifft, Spitzenreiter. Die SPD machte bei der Haushaltsdebatte deutlich, dass man statt zu resignieren, dagegen halten müsse. Vorschläge: Sparen durch Ausgabenbegrenzung, Überprüfung freiwilliger Leistungen, Stärkung des Ehrenamtes, Verbesserung der Strukturen, Verkauf der RWE-Aktien sowie die Konzentration auf die Schul- und Energiepolitik. Auch 2011 bleibt für die SPD die Bekämpfung vorhandener Armut im Kreis oberstes Ziel.

FDP

Die gute Nachricht zuerst: Deutschland hat die Wirtschaftskrise gemeistert, auch dank mutiger Entscheidungen, wie sie in den Hartz IV Reformen umgesetzt wurden. Die Auftragsbücher füllen sich, die Beschäftigung nimmt zu; im Landkreis Bernkastel-Wittlich herrscht praktisch Vollbeschäftigung. Ein leergefegter Arbeitsmarkt wird zu Einkommenszuwächsen für Arbeitnehmer führen. Alle können am Aufschwung teilhaben. Die soziale Marktwirtschaft hat sich erneut bewährt. Die FDP steht zu diesem erfolgreichen Wirtschaftsmodell! Die schlechte Nachricht: Die Finanzen des Landkreises halten seit 2003 mit den galoppierenden Ausgabenzuwächsen nicht Schritt. Den durch Bund und Land übertragenen kommunalen Aufgaben für Bildung, Kultur, Hilfen für Familien und Soziale Sicherung stehen keine entsprechenden Einnahmen gegenüber. Der Kreis- Etat ist bis zum „Geht-nicht-mehr“ ausgequetscht. Die Landesregierung in Mainz stiehlt sich aus ihrer Verantwortung. Sie drückt den Gemeinden höhere Grundsteuern (A und B) aufs Auge, um den Kreisen zu mehr Einnahmen zu verhelfen, die sie selbst wegen ihrer unsoliden Haushaltspolitik (Nürburgring) nicht zu leisten vermag. Die FDP kritisiert aufs Schärfste diese Mehrbelastungen der Bürger. 2011 haben Sie die Gelegenheit, eine Regierung zu wählen, die sorgfältiger mit Ihren Steuergeldern umgeht!

FWG

Die Schulden steigen. Bei den Investitionen müssen wir uns auf das  Wesentliche konzentrieren. Das ist bei dem wenig noch  verfügbaren Geld eindeutig der Bereich Bildung. Wer hier spart, verspielt die Zukunft. Die Schulen müssen vom Standard her für die Aufgaben der Zukunft gerüstet sein. Ebenso begrüßen wir das Angebot der Kinderbetreuung für Kinder ab dem 2. Lebensjahr. Hierfür sind jedoch enorme Investitionen seitens der Kindergartenträger erforderlich. Die FWG  fordert  beim Land die verfassungsmäßig zustehenden Mittel ein. Die FWG beklagt die Kostenexplosion im Bereich Jugend  und Familie, soziale Hilfen und Hilfe zur Pflege. Wir fragen uns, was läuft schief in unserem Staat und unserer Gesellschaft, wenn Familien ihrem Erziehungsauftrag nicht mehr nachkommen, es bei der Pflege einfacher ist, einen teuren Heimplatz zu finanzieren, anstatt die Finanzierung der Pflege zu Hause einfacher zu gestalten oder die Rente nicht ausreicht, das Auskommen im Alter zu sichern.  Die FWG will die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Landkreis, insbesondere  den Faktor Fremdenverkehr. Hierzu zählt auch die Vorhaltung einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur mit Anbindung an die großen Zentren. Ein klares Ja zum Hochmoselübergang. Wir danken der scheidenden Landrätin für Ihre im Landkreis geleistete Arbeit und wünschen ihr für die neue Aufgabe viel Erfolg.

Bündnis 90/Die Grünen

„Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen!“ Circa 80 Prozent unserer Kreishaushaltes beinhalten soziale Leistungen, Schulen müssen saniert und die Kreisstraßen repariert werden, die Liste der zu erfüllenden Pflichtaufgaben des Landkreises ist lang. Wenn dies aber nur durch immer weiteres Schuldenmachen zu leisten ist, dann stimmen die Strukturen nicht. Der Schuldenstand des Landkreises wird Ende 2011 bei über 70 Millionen Euro liegen. Wir sitzen in einer Schuldenfalle und niemand kann uns sagen, wie wir da heraus kommen. Die Zeit ist überfällig für eine richtige Gebiets-, Verwaltungs- und Finanzreform, damit Gelder eingespart werden. Dazu sind wir verpflichtet! Nach 18 Jahren verlässt Anfang kommenden Jahres unsere Landrätin, Frau Läsch-Weber, die Kreisverwaltung. Sie ist eine Landrätin mit Herz und Verstand! Wir bedauern ihr Ausscheiden und wünschen ihr alles erdenklich Gute für die Zukunft. Am 27. März haben Sie, verehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger, gleichzeitig mit der Landtagswahl die Chance, eine neue Landrätin oder einen neuen Landrat zu wählen. Wir bitten Sie, nehmen Sie Ihre Bürgerpflicht wahr und gehen Sie zur Wahl. Denn Sie entscheiden, wer in Zukunft diese Kreisverwaltung führen wird.

DIE LINKE und VBB

Joseph Weizenbaum, der hoffnungsvolle Pessimist, mahnte 2008, dass die Menschheit angesichts des unabwendbaren Klimawandels und der drohenden Klimakatastrophe keine Zeit mehr zu verlieren hat. „Stephen Hawking“, sagte er, „gibt der Welt nur noch 60 Jahre, wenn wir nichts radikal ändern. Ich denke auch, wir sind am Ende, aber ich gebe uns immerhin noch 100 Jahre.“ Beide verlangen radikale Änderungen, die die Probleme an der Wurzel packen. Haushaltsdebatten über fehlendes Geld und Schulden und Sparen greifen viel zu kurz. Radikale Änderung verlangt Grundsätzliches. Die fundamentale ökologische Frage, die Finanzfrage, die soziale und die Eigentumsfrage können nicht innerhalb des bestehenden Gesellschafts- und Wirtschaftssystems gelöst werden. Schon Karl Marx verlangte dazu den „Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung“. Rosa Luxemburg nannte die neue Gesellschaftsordnung ohne Ausbeutung und Unterdrückung von Mensch und Natur, die aus der alten, kapitalistischen, dialektisch zu entwickeln ist: Demokratischer Sozialismus. Albert Einstein erhob ihn 1949 zum Programm. DIE LINKE wird diese historische Aufgabe alleine nicht lösen können. Sie setzt daher auch darauf, dass die Grünen vom Green New Deal zum Ökologischen Sozialismus zurück finden, und dass die SPD als Mitglied der Sozialistischen Internationale deren Auftrag endlich Ernst nimmt: „seek to establish democratic socialism“. Denn, so Hermann Scheer 2010: „knapp ist die Zeit“.