Noch vorhandene Gestaltungsspielräume kreativ und effektiv nutzen
Besorgt über die dramatische Entwicklung der kommunalen Finanzen stellte Landrätin Beate Läsch-Weber dem Kreistag des Landkreises Bernkastel-Wittlich in seiner letzten Sitzung des Jahres 2005 den Produkthaushalt 2006 des Landkreises vor. „Nach 2003, 2004 und 2005 muss ich Ihnen den vierten nicht ausgeglichenen Haushaltsplanentwurf präsentieren. Er schließt im Verwaltungshaushalt mit einem Volumen von 108,1 Millionen Euro mit einem erwarteten Jahresfehlbedarf von 9,68 Millionen Euro. Hierin enthalten ist die Abdeckung des Fehlbetrages aus dem Jahre 2004 von 3,75 Millionen Euro, so dass sich die operative Deckungslücke in 2006 auf 5,93 Millionen Euro beläuft.“ Trotz der vorgeschlagenen Erhöhung der Kreisumlage auf den landesdurchschnittlichen Kreisumlagensatz 2005 von 37,5 Prozentpunkten habe man es nicht einmal geschafft, die bereits im Haushaltsjahr 2005 besorgniserregende operative Deckungslücke von 5,69 Millionen Euro konstant zu halten. Als Grund für diese Entwicklung nannte die Kreischefin die unaufhaltsam steigenden Aufwendungen in den Bereichen Jugend und Familie sowie Soziale Hilfen. „Die Zahl der Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger nimmt trotz des bereits erreichten hohen Niveaus in beiden Bereichen permanent zu. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar“, stellte die Landrätin traurig fest und führte weiter aus: „Betrug das Defizit im Verwaltungshaushalt 2003 noch 0,92 Millionen Euro, stieg es 2004 auf 3,75 Millionen Euro, 2005 auf 6,61 Millionen Euro und 2006 im Haushaltsplanentwurf sogar auf 9,68 Millionen Euro.“ Diese Lawine aufsteigender Jahresfehlbeträge werde sich fortsetzen, so die Landrätin
Auch der Kreistag des Landkreises Bernkastel-Wittlich hält diese landes- und bundesweit zu beobachtende Entwicklung für besorgniserregend und hat anlässlich der Haushaltsberatungen 2006 mehrheitlich eine Resolution zur grundlegenden Reform des kommunalen Finanzausgleichs beschlossen. Darin fordert der Kreistag ein entschiedenes Handeln von Landtag und Landesregierung. Die Gemeinden und Gemeindeverbände müssten bei wirtschaftlicher und sparsamer Aufgabenwahrnehmung auch zukünftig in der Lage sein, neben den ihnen übertragenen Aufgaben auch noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben finanzieren zu können. Die zu bewältigenden Aufgaben müssten neu geordnet werden. Weiter heißt es in der Resolution: „Der Kreistag tritt ein für eine Stärkung der kommunalen Ebene, auch wenn dies mit einem Aufgabenzuwachs verbunden sein sollte. Die Kommunen stehen gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern in der Verantwortung, sie haben die Daseinsvorsorge für alle Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Daher sollte ihnen auch das Recht zustehen, unter bestimmten, gesetzlich definierten Voraussetzungen von einzelnen Standards abweichen zu können.“
Landrätin Beate Läsch-Weber betonte in diesem Zusammenhang, es sei ihr ein wichtiges persönliches Anliegen, sich mit allem Nachdruck für eine Wiedererstarkung der kommunalen Selbstverwaltung einzusetzen sowie die noch vorhandenen Handlungs- und Gestaltungsspielräume im Interesse der Bürgerinnen und Bürger kreativ und effektiv zu nutzen.
Neben der dringend notwendigen Finanzreform nannte die Landrätin als weitere Arbeitsschwerpunkte 2006 zum einen den Bereich, Kinder, Jugend und Familie mit Kinderbetreuung, Ganztagsschulen, Schulsozialarbeit, Jugendscout, Hilfen zur Erziehung und der Kooperation von Schule und Jugendhilfe sowie den Bereich aktive Bürgergesellschaft mit der Servicestelle Freiwilliges Engagement in der Kreisverwaltung, der Arbeitsgemeinschaft LandkreisAktiv und den ehrenamtlichen Koordinatorinnen und Koordinatoren. Weitere Schwerpunkte werden die Förderung der mittelständischen Wirtschaft sein, das Überbetriebliche Ausbildungszentrum Wittlich, das Landesentwicklungsprogramm IV und die damit verbundene Forderung der ländlich geprägten Regionen nach der Einhaltung des Grundsatzes der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen Teilräumen des Landes sowie das Kreisentwicklungskonzept. Hier wird sich der Landkreis 2006 schwerpunktmäßig mit den Themen kinder- und familienfreundlicher Landkreis, neue Wohnformen im Dorf, der Stärkung der Nahversorgung in den Dörfern und der Unterstützung des Einsatzes erneuerbarer Energien beschäftigen.
„Nicht den Kopf in den Sand stecken und verharren ist angesagt, sondern immer der Schritt – und seien es auch viele kleine Schritte – nach vorne, mit wachem Verstand und klarem Blick“, machte Landrätin Beate Läsch-Weber in ihrer Haushaltsrede Mut, die Herausforderungen der Zeit anzunehmen.
Stellungnahmen der Fraktionen zum Haushalt
CDU
Die Raum- und Regionalplanung muss auf die positive wirtschaftliche Entwicklung am Flughafen Frankfurt/Hahn angepasst werden. Die CDU sichert und schafft im Rahmen ihrer Möglichkeiten Arbeit. Trotz der schlechten Lage im Verwaltungshaushalt wird im Landkreis auch in 2006 investiert, nämlich rund 8,6 Millionen Euro, hier vor allem in die dringend notwendige Sanierung an unseren kreiseigenen Schulen, verbunden mit Energieoptimierungsmaßnahmen sowie die Umstellung auf die Nutzung nachwachsender Rohstoffe mit rund 2,9 Millionen Euro. Im Bereich des Straßenbaus sind für dringendste Maßnahmen rund 4,9 Millionen Euro vorgesehen. Wir investieren in Bildung, Umwelt und sichern Arbeit in wichtigen Bereichen. Insgesamt macht der Landkreis dafür 3,7 Millionen Euro neue Schulden. Der Verwaltungshaushalt des Landkreises ist einmal mehr geprägt durch die dramatische Zuspitzung des Zuschussbedarfs im Sozialhaushalt, der alleine mit rund 2,7 Millionen Euro Zunahme gegenüber 2005 zu Buche schlägt. Unser Dilemma ist, wir haben auf kommunaler Ebene die soziale Fürsorge zu leisten, die man auf uns durch Bundes- beziehungsweise Landesgesetzgebung mit nur unzureichender Finanzausstattung delegierte. Hinzu kommt, dass Großprojekte der SPD geführten Landesregierung ständig die kommunalen Finanzen mitbelasten. Im Gegenzug wird der Kreis aufgefordert seine Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen.
SPD
Viele Bürger schöpfen Hoffnung durch die große Koalition im Bund. Unser Aufsteigerland Rheinland-Pfalz hat eine positive Lage, so fließen aktuell vom Land nach Wittlich 80 Millionen Euro in die Justizvollzugsanstalt, ins Krankenhaus und im Kasernenbereich. Geld, das Arbeitsplätze sichert. Der SPD-Antrag zum Flughafen Hahn ist ein Appell, dass wir enger mit den Nachbarkreisen zusammenarbeiten. Den Bürgern des Kreises sollen nicht nur Belastungen zugemutet werden. In Zukunft muss mehr Geld im Landkreis bleiben. Die Sanierung der Bahn zum Hahn sollte bis Morbach und darüber hinaus erfolgen. Wie das Land, muss auch der Kreis, trotz kritischer Haushaltslage, einen Schwerpunkt bei den Familien setzen. Wenn Rahmenbedingungen sich verbessern, bekommen junge Menschen mehr Mut zur und Lust auf Familie. Familien wollen wir dort helfen, wo sie wohnen, wo Kinder aufwachsen, pflegebedürftige Angehörige betreut, wo Beruf und Familie miteinander vereinbart werden. Erfolgreich war der SPD-Antrag gegen den Kauf von Produkten aus Kinderarbeit. Wir danken allen im Kreistag und der Verwaltung mit der Landrätin für die gute Zusammenarbeit. Die besten Wünsche für das junge Jahr 2006!
FWG
Die FWG bemängelt, dass defizitäre Haushalte die Regel geworden sind. Auch in diesem Jahr ist der Landkreis gezwungen eine Nettoneuverschuldung einzugehen, um die elementarsten Aufgaben des Landkreises sicherzustellen. Wird die Handlungsfähigkeit in Zukunft nur noch über Bedarfszuweisungen geregelt? Wir sind der Auffassung, dass der Gesetzgeber den Kommunen eigene Finanzmittel an die Hand gibt, um die viel gelobte kommunale Selbständigkeit der Kommunen zu stärken. Die Erhöhung der Kreisumlage werden wir noch einmal mittragen. In Zukunft werden wir einer solchen Erhöhung nicht mehr zustimmen. Im Sozialbereich muss Ursachenforschung betrieben werden, warum die Sozialleistungen so enorm gestiegen sind. Für die freiwilligen Leistungen, gerade im Jugendbereich, muss mehr Geld zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt auch für die Bildung, sprich Schulen. Die FWG steht nach wie vor positiv dem Thema B 5o/Hochmoselübergang, und Flugplatz Hahn gegenüber. Dies gilt auch für die Reaktivierung der Hunsrückbahn und nicht nur bis zum Flughafen Hahn sondern weiter über Morbach nach Hermeskeil. Auch das Thema Müllbeseitigung muss schnellstens gelöst werden. Eine kostengünstige Variante muss gefunden werden, um die Bürger nicht über Gebühr zu strapazieren. Den eingeschlagenen Weg finden wir für richtig und sind zuversichtlich, dass wir für Alle eine gute Entscheidung treffen werden. Auch der vorgesehenen Verwaltungsreform stimmen wir zu, in der Hoffnung, dass eine gute Lösung gefunden wird.
FDP
Der Kreishaushalt leidet unter sprunghaft ansteigenden Kosten, verursacht durch hohe Arbeitslosigkeit und fehlenden Reformwillen, die Wirtschaft endlich ans Laufen zu bringen, und durch Probleme, denen die Institution „Familie“ heute unterworfen ist. Von den 716 Jugendlichen bis 25 Jahren, die Leistungen nach Hartz IV erhalten, haben 26 Prozent keinen Hauptschulabschluss und 72 Prozent keine Berufsausbildung. Zu Beginn des Ausbildungsjahres 2005 gab es im Arbeitsamts-Bezirk Trier 439 unversorgte Bewerber für einen Ausbildungsplatz. Am 20. Oktober hatten Arbeitsagentur, HWK und IHK alle zu einem persönlichen Gespräch mit „Chancengarantie“ eingeladen. Erschienen sind 163! - Der überwiegende Rest: Fehlanzeige! Die Regelungen zur Bildung von Bedarfsgemeinschaften nach Hartz IV sind sicherlich eine Erklärung, denn sie laden zum Missbrauch ein. Stärkere Kontrollen von Sozialmissbrauch, aber auch begleitende Hilfen wie sie von Schulsozialarbeitern und Jugendscouts erbracht werden sind deshalb ebenso wichtig wie auch das ÜAZ, das der Kreis trotz schwieriger Finanzlage aufrecht erhält. Die FDP tritt dafür ein, dass allen Kindern und Jugendlichen gute und gleichwertige Startchancen ins Leben gegeben werden. Aber sie müssen auch wollen – und diese Erziehungsaufgabe liegt primär in der Verantwortung der Eltern, erst dann der Öffentlichen Hand.
Bündnis 90/Die Grünen
Unser Landkreis wird sich im nächsten Haushaltsjahr weiter verschulden. Die Einnahmen werden wieder nicht ausreichen, um die notwendigen Ausgaben zu decken. Notwendige Ausgaben sind überwiegend Ausgaben in den Bereichen Jugend- und Familie und der Hilfen für Menschen mit Unterstützungsbedarf, weil sie alt, krank oder behindert sind. Hinzu kommen Investitionen in Bildung (Multimediaprogramm für Schulen) und die Sanierung von Schulgebäuden unter Nutzung regenerativer Energien. Diesen notwendigen Ausgaben haben wir zugestimmt. Wir waren auch dafür, die Kreisumlage zu erhöhen. Die Erhöhung der Kreisumlage bringt etwa 740.000 Euro, Geld, das der Landkreis sonst als Kredit aufnehmen müsste. Wir können verantworten, die Gemeinden an den Kosten der Allgemeinheit zu beteiligen. Es gibt auch gute Nachrichten für das neue Jahr. Die Kreismusikschule wird die gute Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten und Ganztagsschulen zukünftig weiter verbessern. Aufgrund unserer Initiative wurde auch für die musikalische Früherziehung und den vorinstrumentalen Unterricht eine Sozial- und Familienermäßigung eingeführt. Damit haben alle Kinder, gleich welcher Herkunft, die gleichen Chancen zur Musikbildung in den Kindertagesstätten. Der Kreistag hat auf unseren Antrag hin von Landtag und Landesregierung ein entschiedenes Handeln gefordert. Die Gemeinden und der Landkreis müssen bei wirtschaftlicher und sparsamer Aufgabenwahrnehmung in der Lage sein, neben den ihnen übertragenen Aufgaben auch noch freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben finanzieren zu können. SPD und FDP haben unserem Antrag nicht zugestimmt. Wir bedauern das.
VBB
Haushalte mit immer höheren Fehlbeträgen und eine Neuverschuldung in Millionenschritten – müssen wir uns daran gewöhnen? Mangelt es uns an Sparsamkeit oder prasseln die Belastungen von außen beziehungsweise oben unverschuldet auf uns nieder? Wenn dem so ist – und vieles, zuletzt die verunglückte Hartz IV-Regelung – spricht dafür, dann fragen wir uns, warum wir selbst und unsere kommunalen Spitzenverbände wie der Landkreistag uns nicht entschiedener dagegen wehren. Will man etwa den Parteioberen in Mainz oder Berlin nicht auf die Füße treten? Ein neues Beispiel für diese Zumutungen von oben ist die Einführung der neuen Haushaltssystematik, Doppik genannt, die das Land uns aufdrückt. Wir sehen sehr deutlich die Gefahr, dass die damit verbundene Wertermittlung von kommunalem Vermögen dazu dienen soll, den fiktiven Gegenwert für eine noch höhere Verschuldung zu bilden. Liberalisierung von Dienstleistungen à la GATS gefällig? Verhökern wir dann Bildung und Erziehung unserer Kinder meistbietend zwischen Bertelsmann, Warner oder gar der Moon-Sekte und Scientology? Wir lehnen das als unverantwortliche Politik gegenüber den nachfolgenden Generationen nachdrücklich ab. Dem Haushalt können wir so nicht zustimmen.