Mehr Aufmerksamkeit für ein verborgenes Thema
„Bitte holen Sie jetzt einmal tief Luft und vergessen Sie nicht zu atmen und für sich zu sorgen.“ Zion Melak sagt dies aus gutem Grund, denn sie weiß, was für die zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihres Vortrages zum weiterhin stark tabuisierten Thema Beschneidung und weibliche Genitalverstümmelung oftmals völlig fremd und unverständlich ist.
Zion Melak wurde 1964 in Eritrea im Osten Afrikas geboren und stammt aus einer Kultur, in der die Tradition und das Patriarchat im besonderen Maße über die gesellschaftlichen Strukturen und die Frau bestimmen. Im Jahr 2014 hat sie den Verein Mahaliya gegründet um das Thema aus der Dunkelheit ins Licht der Öffentlichkeit zu holen.
Mehr Aufmerksamkeit also für ein Thema, dass zwar oftmals im Verborgenen liegt, aber viele betrifft: nach Schätzungen internationaler Organisationen zufolge sind weltweit mehr als 200 Millionen Mädchen und Frauen Opfer von Genitalverstümmelung. Die Zahl der betroffenen Frauen in Deutschland wird laut einer empirischen Studie vom INTEGRA - Netzwerk, vom Januar 2017 auf 48770 geschätzt, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Die Hauptverbreitungsgebiete sind das westliche bis nordöstliche Afrika sowie der Jemen, der Irak, Indonesien und Malaysia.
Auf Einladung der Bildungskoordinatorin für Neuzugewanderte sowie der Integrationsbeauftragten des Landkreises gab die charismatische Referentin umfassende Informationen zum Thema und zeigte Hilfsangebote für Betroffene auf. Neben den zahlreichen und gravierenden gesundheitlichen Folgen, brachte Melak vor allem Licht in die dunkle Geschichte, Rechtfertigung und Ursprünge des Themas.
Auch in Mitteleuropa und Nordamerika war die Amputation der Klitoris im 19. Jahrhunderts eine gängige Methode um beispielsweise Epilepsie oder Nymphomanie zu behandeln. Die Beweggründe für den Trend, den weiblichen Körper immer mehr zu normieren, der sich in 180.000 intimchirurgischen Eingriffen in der Gegenwart zeigt, sollten auch bei uns kritisch hinterfragt werden.
Die Veranstaltung richtete sich insbesondere an Personen aus den Bereichen Gesundheitsweisen (Hebammen, Ärzte), Bildung (Erzieher, Lehrer), Ordnung und Recht (Polizei, Gericht) sowie der Verwaltung (Jugendamt, Ausländerbehörde, Soziales). Um angemessen reagieren und handeln zu können ist für diese Personen besonders wichtig, über die Situation von Migrantinnen gut informiert zu sein. Der Wunsch der Teilnehmer in der Region einen runden Tisch zum Thema einzurichten wird aufgegriffen. Hierzu wird es im neuen Jahr weitere Informationen für Interessierte geben.